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[ Post vom 23. Juni 2022 – 10.02 Uhr ]

RUBRIK
AUSLEGUNGSSACHEDas Grab im Garten – Joh 19,38-20,18

Die Übersetzung lässt sich als eine Art Kunstprojekt auffassen: Ich habe konsequent nach einer Übertragung ins Deutsche gesucht, die den verschiedenen Aspekten der griechischen Verbformen gerecht wird. Dafür gibt es einen Anlass. Denn die Rezeptionsgeschichte dieses Abschnittes transportiert einen unglaublichen Übersetzungsfehler, der mit der Missachtung dieses Wesenszuges des Griechischen zu tun hat (Joh 20,17). Wer sich für Details interessiert, findet nach der Übersetzung einen Link zu einem Artikel, in dem ich die Zusammenhänge erkläre.

Das Grab im GartenEine Übersetzung von Johannes 19,38-20,18 aus dem Griechischen

38 Joseph von Arimathäa war aus Furcht vor den Juden11  Es gibt leider keine einfache Antwort auf die Frage, wer oder was mit ›den Juden‹ im Johannes-Evangelium gemeint ist. Hier ist wichtig, dass diese Ausdrucksweise (leider) eine Eigenart des Evangeliums selbst ist, die für uns heute in Hinblick die Geschichte der Judenverfolgung sehr belastend ist. Auch im Evangelium wird eine Polarisierung dadurch zu Sprache gebracht, die aber in jedem Fall eine ganz andere Konfliktlinie hatte, als wenn man heute in Mitteleuropa so reden würde. Für das Johannes-Evangelium kann die Konfliktlinie nur unter Vorbehalt rekonstruiert werden, weil das Ergebnis von vielen Vorentscheidungen abhängt. So wird man zu einem anderen Ergebnis kommen, wenn man davon ausgeht (das ist übrigens auch meine Position), dass das Johannes-Evangelium von jüdischen Menschen geschrieben worden ist, als wenn man von einer nicht-jüdischen Autorenschaft ausgeht (Udo Schnelle z.B.). ausblenden ein heimlicher Jünger Jesu geblieben. Nachdem Jesus am Kreuz gestorben war, fragte er Pilatus, ob er den Leichnam Jesu abnehmen dürfe. Pilatus gestattete es. So kümmerte sich Josef um alles und versorgte den Leichnam Jesu. 39 Auch Nikodemus kam zur Unterstützung – er war es ja, der damals bei seiner ersten Begegnung nachts zu Jesus gekommen war. Nikodemus sorgte für Salböle in einer Menge, die der Bestattung eines großen Königs würdig war, eine Mischung aus Myrrhe und Aloe. 40 Sie versorgten nun gemeinsam den Leichnam Jesu, verwendeten die Duftöle und hüllten ihn in Leinentücher ein, wie es für Juden der Sitte für eine Beisetzung entsprach. 41 In der Nähe des Ortes, wo er gekreuzigt wurde, war ein Garten. Dort gab es eine neue Grabhöhle, in der noch nie jemand bestattet worden war. 42 In diese Gruft legten sie Jesus schließlich, denn der jüdische Vorbereitungstag für das Passa ging mit Sonnenuntergang zu Ende, so dass die Zeit drängte; und die Grabhöhle bot sich an, weil sie nicht weit weg war.

Am übernächsten Morgen

1 Etwa sechsunddreißig Stunden später war Maria aus Magdala früh morgens zum Grab unterwegs. Es war noch dunkel. Sie entdeckte, dass der Stein, der eigentlich die Grabhöhle verschließen sollte, wieder zur Seite gerollt worden war. 2 Sofort kehrte sie wieder um und machte sich mit dieser Information auf den Weg zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte. Mehrfach erklärte sie ihnen ihre Schlussfolgerung: »Man hat den Herrn wieder aus dem Grab genommen und wir wissen nicht, wo man ihn stattdessen hinge-bracht hat.« 3 Endlich entschloss sich Petrus, selbst nachzusehen – der andere Jünger auch; und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Grab. 4 Beide legten die Strecke rennend zurück. Dabei überholte der andere Jünger Petrus, weil er schneller war, und erreichte als erster das Grab. 5 Er beugte sich in die Grabhöhle vor und nahm die Szene in sich auf: Die Leinentücher lagen einfach rum. Er ging aber nicht hinein. 6 Inzwischen kam auch Simon Petrus an, der ihm ja folgte. Petrus dagegen ging in die Grabhöhle hinein. Auch er bemerkte, wie die Leinen herumlagen; 7 das Stück Stoff aber, dass um den Kopf herum war, lag nicht bei den Leinentüchern. Stattdessen befand es sich ordentlich zusammengelegt an einem Ort für sich. 8 Dann ging endlich auch der andere Jünger, der ja eigentlich zuerst angekommen war, in das Grab hinein und er erfasste, was er sah, und begann zu glauben22  Ich fasse das als sog. ›ingressiven Aorist‹ auf. Das bedeutet, das auf den Anfangspunkt einer Handlung Bezug genommen wird. Der Zusammenhang ›zwingt‹ einen förmlich dazu, weil sonst rätselhaft bleibt, was Vers 9 eigentlich begründen will. So ergibt aber alles einen Sinn. ausblenden.

9 In dieser Situation verstanden sie die Schrift33  Was genau hier mit ›der Schrift‹ gemeint ist, kann nicht präzise gesagt werde, weil das Johannes-Evangelium ein einer Zeit stammt, in der es auch in den verschiedenen Ausprägungen des Judentums noch keinen festen Kanon gab. Alle Juden und die Samaritaner waren sich einig, dass der Thora (5 Bücher Mose) die größte Autorität zukommt. Bei den Propheten fängt es dann schon an zu wackeln: Die Pharisäer und die jüdischen Menschen, die die Texte des Neuen Testaments verfasst haben, betrachteten auch die Geschichtsbücher und die Propheten als ›heilige Schriften‹ und auf alle Fälle auch das Buch der Psalmen. Die Gruppe der Sadduzäer dagegen sahen ausschließlich in der Thora die verbindliche Weisung Gottes. Die Textsammlung der Septuaginta (der antiken griechischen Übersetzung der Hebräischen Bibel) enthält Schriften, die über den Umfang des hebräischen Textes hinausgehen, wie wir ihn heute überliefert finden und verrät dadurch mittelbar, welche Schriften generell ›beliebt‹ waren. Bleibt die Frage, welche Stellen für solch eine Deutung überhaupt in Frage kämen. Denn eine eindeutige Stelle gibt es leider nicht – weder in der Hebräischen Bibel noch in der Septuaginta. Es scheint wohl der Ertrag einer schriftgelehrten Auslegung bzw. Argumentation gewesen zu sein, die aus mehreren Stellen schlussfolgerte, dass Jesus als Messias und Sohn Gottes auferweckt werden musste. Ich vermute, dass die Gottesknecht-Lieder bei Jesaja (Jesaja ist ein Buch, das zu den Propheten zählt) dabei zumindest eine Rolle gespielt haben werden. In Jesaja 42,6 und 49,8 findet sich die Aussage, dass Gott über den Knecht wacht und ihn bewahrt. In Jesaja 52,13 wird schließlich gesagt, dass der Knecht über das gewohnte Maß hinaus erhöht und verherrlicht werden wird. Besonders die Formulierung der Septuaginta macht den Zusammenhang zum Johannes-Evangelium nachvollziehbar (vgl. a. Jes 49,3 LXX). In den Psalmen findet sich weiteres Material. Ich möchte hier auf die Argumentation in Apg 2,24-32 hinweisen, die Ps 16,8-11 (LXX Ps 15,8-11) zitiert und auf die Auferstehung Jesu hin deutet. (Siehe in etwas anderer Hinsicht auch Anmerkung 4.) ausblenden noch nicht, dass es nach ihr so sein musste, dass er schließlich von den Toten auferstehen würde.

10 Schließlich verließen die Jünger den Garten und kehrten in ihre Unterkunft zurück. 11 Maria aber blieb. Sie suchte sich einen Platz in der Nähe des Grabes, um zu weinen und zu trauern. Während sie weinte, sah sie nach einiger Zeit zufällig wieder in die Gruft hinein 12 und beobachtete, wie da zwei Engel ganz in Weiß saßen. Einer saß am Kopf- und der andere am Fußende – bezogen darauf, wie der Leichnam Jesu dort gelegen hatte. 13 Die Engel sprachen mit ihr, »Frau, warum weinst du?« Maria erklärte ihnen: »Weil sie meinen Herrn weggenommen haben und ich nicht weiß, wo sie ihn hingebracht haben.« 14 Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, drehte sie sich auch schon von den Engeln weg und sah Jesus, wie er ganz ruhig vor ihr stand. Allerdings war es ihr nicht klar, dass es Jesus war. 15 Jesus unterhielt sich mit ihr: »Frau, warum weinst du? Wen suchst du?« Weil sie den Eindruck hatte, dass es sich bei ihm um den Gärtner handelte, ging sie darauf ein: »Herr Gärtner, wenn du ihn verlegt hast, sag mir wohin! Ich werde ihn dann holen.« 16 Jesus sprach sie erneut an: »Maria!« In dem Moment gelang es ihr, sich von ihrer Trauer und ihrem Schmerz abzuwenden und immer wieder sagte sie zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni, Rabbuni, Rabbuni! – das bedeutet: »Lehrer!« 17 Irgendwann sagte Jesus zu ihr schließlich: »Halte mich jetzt nicht mehr länger fest!44  Ebenfalls richtig machen es die Einheitsübersetzung von 2016 und die BasisBibel (beide: »Halte mich nicht fest…«). Die traditionelle – aber eben falsche Übersetzung – lautet: »Berühre mich nicht...«.ausblenden Denn ich bin noch nicht beim Vater angekommen. Suche meine Brüder auf und sage ihnen dies: »Ich bin auf dem Weg zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.« 18 Als Maria aus Magdala die Jünger traf, erzählte sie es immer wieder, »Ich habe den Herrn gesehen und er steht mir noch vor Augen.«55  Sachlich darf man vielleicht an Psalm 16,8 denken. Besonders in seiner Septuaginta-Version (LXX Ps 15,8; zitiert in Apg 2,25): Allezeit sah ich den Herrn vor mir… ausblenden Und sie wiederholte ihnen auch, was er ihr aufgetragen hatte.

Übersetzung: Thilo Maußer

Weiterführende Links

Die Aspekte im Griechischen (Übersetzungsfehler in Joh 20,17)

Ein Beispiel für Präsens und Futur im Griechischen: Matthäus 7,7-8

der übersetzte Abschnitt nach der neuen Einheitsübersetzung (2016)

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