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AUSLEGUNGSSACHELebensglück als Gemeinschaftstreue – Psalm 1
Der Psalm 1 ist die Ouvertüre des gesamten Buches der Psalmen. Der Form nach ist er selbst kein Gebet, sondern ein sog. weisheitlicher Text, der auch ins Sprüche-Buch gepasst hätte. Interessant, dass ein Gebetsbuch damit beginnt, das Lebensglück zu thematisieren.
Lebensglück als Gemeinschaftstreue Eine Übersetzung von Psalm 1
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- Wohl dem Mann, der sich nicht den Rat der Gewissenlosen1 1 Im Hebräischen steht hier ›rescha‘im‹; traditionell wird das mit ›Frevler‹ oder ›die Gottlosen‹ übersetzt. So oder anders – sie sind jedenfalls das Gegenteil der ›Gerechten‹, der ›zadikim‹, die ihrerseits als die ›Gemeinschafttreuen‹ eben das Gelingen der Gemeinschaft im Blick behalten, auch wenn sie selbst dafür etwas von ihrem eigenen Besitz abgeben müssen. Deshalb sind ›rescha‘im‹ die gewissenlosen Egoisten, während ›zadikim‹ die Anständigen und Verlässlichen (vgl. V. 6) meint. ausblenden zu eigen machte, noch den Weg der Sünder betrat oder dort verkehrte, wo man sich über Aufrichtigkeit lustig macht,2 2 Die hebräischen Verbformen bis hier weisen eigentlich Richtung Vergangenheit. So übersetzen es auch die alten Übersetzungen (Septuaginta: Aorist; Vulgata: Perfekt). Auch Buber/Rosenzweig entscheiden sich für Vergangenheit in ihrer Übersetzung. Ich erwähne das, weil wir frei nach Luther »Wohl dem, der nicht wandelt …« im Ohr haben – also Präsens. ausblenden
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- sondern,
weil in der Weisung JHWHs3 3 JHWH steht für den Namen Gottes, der aus den vier hebräischen Buchstaben Jod – Hej – Waw – Hej, also J H W H besteht [ יהוה ]. Wegen der der vier Buchstaben wird es ›das Tetragramm‹ genannt (tetra, griech. vier). Im Alten Testament macht es durchaus einen Unterschied, ob von Gott (hebr.: ›elohim‹) oder namentlich von JHWH die Rede ist. Dieser Unterschied ist es wert, bemerkt zu werden. Das Buch Jona bespielsweise spielt auf einer literarischen Ebene mit diesem Unterschied.
Jüdische Menschen sprechen den Namen Gottes generell nicht aus. Beim Vorlesen biblischer Texte lesen sie stattdessen entweder ›adonaj‹ (etwa ›Herr‹) oder ›umschreiben‹ es bei jedem Vorkommen sachlich mit ›ha-shem‹ (bedeutet einfach ›der Name‹). In christlichen Bibelübersetzungen wird das Tetragramm mit ›HERR‹ (oft groß oder in Kapitälchen gesetzt) wiedergeben, während jüdische Übersetzungen ›der Ewige‹ schreiben. In meiner Übersetzung hier war mir danach, JHWH zu schreiben. ausblenden seine Freude liegt, er Tag und Nacht über eben diese Weisung meditiert – wieder und wieder. - 3
- So wird er wie ein Baum, der an Bewässerungsgräben gepflanzt ist und seine Frucht zu seiner Zeit bringt – niemals verwelkt sein Laub; und alles, was er tut – er lässt es gedeihen!
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- Doch nicht so die Gewissenlosen – sie sind nichts als Spreu, die der Wind verweht,
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- so dass weder sie sich in einer Gerichtsverhandlung durchsetzen können noch Sünder generell in der Gemeinschaft der Verlässlichen4 4 Wörtlich: »in der Gemeinde der Gerechten« – hebräisch: ›ba-’adat zedakim‹. ausblenden.
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- Denn JHWH5 5 Siehe auch Anmerkung 3. ausblenden achtet6 6 Wörtlich: »… ist einer, der die Wege … kennt«; das bedeutet, dass er sie beobachtet und ggf. helfend eingreift. ausblenden auf den Weg der Verlässlichen7 7 Wörtl.: Hebräisch: ›zadikim‹, die ›Gerechten‹, die ›Gemeinschaftstreuen‹; siehe auch Anmerkung 1. ausblenden, während der Weg der Gewissenlosen sich als nichtig erweisen wird. Der Psalm 1 ist die Ouvertüre des gesamten Buches der Psalmen. Der Form nach ist er selbst kein Gebet, sondern ein sog. weisheitlicher Text, der sich auch im Sprüche-Buch hätte befinden könnte. Interessant, dass ein Gebetsbuch damit beginnt, das Lebensglück zu thematisieren.
Übertragung: Thilo Maußer
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