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PROJEKTEÜber »Mere Christianity« und seine Kraft bis heute
»Pardon, ich bin Christ« ist der deutsche Titel von »Mere Christianity«. C. S. Lewis fand Bilder und »Übesetzungen« für den Glauben an Jesus Christus in seinen Vorträgen, die auch heute noch anregend sind, obwohl die aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges stammen. Mein Artikel bietet einen kurzen Einblick, der Lust auf mehr machen möchte.
»Mere Christianity« Wie es C. S. Lewis gelang, den Glauben an Jesus Christus zur Sprache bringen (Der Beginn einer Entdeckungsreise)
»Ich hatte keine Ahnung, dass ich eigentlich von Jesus las!«, erzählte mir ein Christ aus England, den ich im Rahmen einer Studienreise vor ein paar Jahren traf. Er meinte damit den Löwen Aslan aus den Narnia-Büchern von C. S. Lewis und wollte anschaulich machen, wie wenig er über das Christentum und die Geschichte Jesu wusste, bevor er selbst Christ wurde. Weiß man dagegen um Jesus und seine Geschichte, ist es eigentlich unmöglich, den Zusammenhang zu Aslan zu übersehen. In diesem Gespräch erfuhr ich auch – das muss ich zu meiner Schande gestehen – zum ersten Mal von »Mere Christianity«. Er erklärte, dass das ein Buch von Lewis sei, das sehr vielen Menschen im englischsprachigen Raum den Glauben an Jesus eröffnet hätte. Inzwischen sei es aber etwas in die Jahre gekommen, so dass es wohl auch etwas von seiner ursprünglichen Kraft verloren hätte.
Seinen englischen Titel könnte man zunächst mit „Einfach nur Christentum“ übersetzen. Ursprünglich handelte es sich um Beiträge für das Radio, die während des Zweiten Weltkriegs von der BBC in mehreren Staffeln ausgestrahlt und von C. S. Lewis selbst gesprochen wurden. Als Buch wurde es in England das erste Mal 1952 veröffentlicht. Eine erste Ausgabe auf Deutsch erschien 1956 unter dem Titel „Christentum schlechthin“. In Deutschland ist das Buch aber bekannter unter dem Titel „Pardon, ich bin Christ“. Unter diesem Titel wurde erst aber erst 1977 vom Brunnen-Verlag herausgegeben.
Anlässlich des 50. Todestages von Lewis, wurde es 2016 in einer neuen deutschen Übersetzung verlegt.1 1 C. S. Lewis, Pardon, ich bin Christ. Neu übersetzt zum 50. Todestag von C. S. Lewis, 2016, 1. Auflage bei fontis (Verlag). ausblenden
Seit dieser Begegnung vor nunmehr knapp sechs Jahren in England hatte ich mir vorgenommen, »Mere Christianity« mal zu lesen. Es brauchte einen Anstoß, dass ich es schließlich getan habe: Es fing damit an, dass ich wieder einmal eine der Narnia-Geschichten las – eine von denen, die nicht verfilmt wurden: Der Ritt nach Narnia (The Horse and his Boy). Beim Lesen der Geschichte hat sich mir – wie durchaus auch schon früher – Jesus selbst in der Gestalt von Aslan zur Sprache gebracht. Damit schubste er mich aktiv wieder in meine schon länger währende Nachdenklichkeit darüber, wie es speziell mir und uns als Christen ganz allgemein heute gelingen kann, unseren Glauben zur Sprache zu bringen. Dabei empfand ich den deutlichen Impuls, dass jetzt für mich der richtige Moment gekommen sei, mich mit »Mere Christianity« zu beschäftigen. Gelesen (beziehungsweise gehört;-) habe ich es inzwischen. Mit dem Nachdenken darüber bin ich noch nicht fertig.
Ja, an einigen Stellen spürt man, aus welcher Zeit es stammt. Das sollte einen aber nicht von den dicken Brettern ablenken, die Lewis in den einfach gehaltenen Abhandlungen bohrt. Allein sein Grundanliegen ist so aufregend, dass es auch 80 Jahre nach diesen Radiosendungen wert ist, wahrgenommen zu werden: Ziel war es nämlich, konfessionsübergreifend den Glauben an Jesus Christus darzustellen – und das ist ihm in einer Qualität gelungen, die auch heute noch im besten Sinne diskussionswürdig ist. Um das noch einmal in all seiner Weite zu unterstreichen – in dem, was er sagt, sollen sich sowohl Anglikaner2 2 Damit beginne ich meine Aufzählung, weil C. S. Lewis Glied der Church of England war. ausblenden als auch Katholiken wie orthodoxe Christen der Ostkirchen wie auch solche jeder protestantischen Denomination wiederfinden. Es ist gerade diese Weite, aus der heraus er Klarheit über Jesus Christus gewinnt und diese offensiv darstellt. Nicht zuletzt deshalb wurde er vielfach als ein christlicher Apologet bezeichnet. Als Apologeten bezeichnet man Menschen, die das Christentum gegen die Kritik von außen verteidigen (heutzutage oft von gegen die Kritik von Seiten »der« Wissenschaft). Da war gewiss ein starkes Anliegen von C. S. Lewis, aber es wäre aus meiner Sicht viel zu kurz gesprungen, wenn man ihn darauf reduzieren würde.
Ein Blick auf »Mere Christianity« aus der Hubschrauberperspektive
Geht es um Theologie, so stellt er die Sache dar und zwar aus meist einem überraschenden Blickwinkel. Er versteckt weder sich selbst noch das Thema hinter Floskeln. Stattdessen sucht und findet er Bilder. Diese Bilder relativiert er zum Teil wieder, um dabei immer zu betonen, dass die Bilder und Beispiele nicht die Sache selbst sind, sondern uns lediglich helfen sollen, das Gemeinte besser zu verstehen. Dennoch – sie haben Kraft.
Ein Beispiel: Wenn es ganz zum Schluss des Buches um den »Neuen Menschen« geht (im Sinne von »… ist jemand in Christus, ist er eine neue Schöpfung!«), dann sagt er, dass es um eine echte Transformation (oder eben Verwandlung) gehe, die Gott an uns vornehme und eben nichts sei, was wir von uns aus tun könnten. Deshalb gehe es nicht darum,3 3 An anderen Stellen aber schon! ausblenden durch Training ein immer besserer Christ zu werden. Das wäre so, wie wenn man ein Pferd trainiere, damit es immer besser über Hindernisse springen könne. Aber Transformation bedeutet, dass das Pferd Flügel bekommt – und dann nicht mehr springt, sondern fliegt. Also, eine Christin oder ein Christ zu werden ist, wie wenn aus einem Pferd ein Pegasus wird. Das soll das Wunder verdeutlichen, das Gott an uns tut, wenn wir uns Jesus mit Haut und Haaren anvertrauen.
Für das Christwerden gibt es in »Mere Christianity« noch etliche andere Bilder. Keines erklärt alles, jedes aber etwas und das dann aber mit besonderer Nachdrücklichkeit. Manche sind nur im Zusammenhang verständlich, viele aber auch für sich.
Weil sie zum kreativen Nachdenken anregen, habe ich einige davon hier zusammengestellt. Damit verbinde ich die Einladung, so man Christ:in ist, darauf zu achten, welche von ihnen die größte Resonanz bei einem selbst hervorrufen. Und: Warum eigentlich? Ich wünsche mir, dass wir mit anderen darüber ins Gespräch kommen, die ebenfalls mit Jesus unterwegs sind. Das betrachte ich als eine Übung auf dem Weg, die Sprache wiederzufinden, wenn es generell darum geht, über unseren Glauben an Jesus Christus zu sprechen und warum er für unserer Leben so entscheidend wichtig ist.
In Jesus Christus neu zu werden ist nach C. S. Lewis wie …
- geboren zu werden oder aus dem Ei zu schlüpfen
- Gott ein Geburtstagsgeschenk von dessen Geld zu kaufen
- sein eigenes Schicksal in die Hand eines anderen zu legen
- die Waffenrüstung der Rebellion abzulegen und sich zu ergeben
- bei voller Geschwindigkeit eine 180°-Wendung hinzulegen
- Laufen oder Schreiben zu lernen
- wenn aus einem Zinnsoldaten oder einer Statue eine lebende Person wird
- nach einem langen Schlaf wieder zu erwachen
- wenn sich eine Hütte in einen Palast verwandelt
- wenn ein Feld gepflügt und neue Saat ausgebracht wird
- wenn sich ein normales Pferd in einen Pegasus verwandelt
- nachhause zu kommen
Die Beschäftigung mit C. S. Lewis erscheint mir so fruchtbar, dass für mich daraus ein Projekt über »Mere Christianity« hinaus geworden ist. Dabei geht es weiterhin zentral darum, wie wir als Christ:innen unseren Glauben heute in Mitteleuropa angemessen zur Sprache bringen können. Inzwischen regt sich in mir aber auch der Wunsch, an C. S. Lewis weiterführende hermeneutische Fragen heranzutragen, weil ich dazu bereits Überraschendes bei ihm entdeckt habe.4 4 Beispielsweise nahm er den Gedanken vorweg, dass es bei der Deutung eines Textes zu allererst um den Text selbst und nicht dessen Autor gehen müsse. Diese Sichtweise wurde erst durch den französischen Strukturalismus en vogue und kann inzwischen als Ertrag des 20. Jahrhunderts in Sachen Interpretation gelten. Ein anderes Thema ist die Frage, von welcher Art der Erkenntnisgewinn bei Analogien eigentlich ist. ausblenden Thilo Maußer